Dead Man Walking

Oper in zwei Akten // Libretto von Terrence McNally nach dem gleichnamigen Buch von Sister Helen Prejean // Auftragswerk der San Francisco Opera in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln.

»Dead Man Walking!« – so lautet der Ruf amerikanischer Gefängnisaufseher, wenn ein zum Tode Verurteilter seinen Gang zur Hinrichtung antritt. Diesen Ruf wählte die Ordensschwester Helen Prejean als Titel ihres Buchs, in dem sie ihre Begegnung mit einem Todeskandidaten schildert. Auch in der gleichnamigen Oper von Jake Heggie stehen Schwester Helens Erfahrungen im Mittelpunkt. Nachdem sie mit dem wegen Vergewaltigung und Mordes zum Tode verurteilten Joseph de Rocher bisher nur seelsorgerische Briefe ausgetauscht hat, bittet er nun, da der Termin seiner Hinrichtung näher rückt, um ein persönliches Treffen. Wider Erwarten findet Helen keinen reuigen Sünder vor, sondern einen seine Schuld leugnenden Täter, der lediglich auf ihre Unterstützung und geistliche Begleitung bei seinem Begnadigungsgesuch hofft. Über seine Schuld muss und will Schwester Helen nicht befinden, die christliche Begleitung aber kann sie ihm nicht verwehren. Während der Zeit, die sie im Gefängnis verbringt, werden ihre Grundüberzeugungen und Glaubensgewissheiten einer schweren Prüfung unterzogen. Sie entdeckt die menschlichen Seiten des Mörders, lernt seine Familie kennen – wird aber auch mit dem tiefen Leid der Hinterbliebenen der Opfer konfrontiert, die mit Unverständnis auf ihren Einsatz für das Recht auf Leben eines erwiesenermaßen Schuldigen reagieren.

Die Oper lässt keinen Zweifel an der Schuld des Verurteilten. Doch was als eine moralisch eindeutige Geschichte beginnt, führt schnell in die Grauzone zwischen Schuld und Verantwortung, Rache und Vergebung. Jake Heggies suggestive und spannungsgeladene Musiksprache, die neben opernhaften Elementen amerikanische Musikstile wie Blues und Gospel einbindet und auch ihre Nähe zur Filmmusik nicht verleugnet, eröffnet einen unmittelbare und emotionalen Zugang zu einem Thema, das für die Opernbühne zunächst ungewohnt wirkt: die Berechtigung der Todesstrafe.

 

Ort: 
Stadttheater