Schlaflos aufgewühlt, greift sie zur Feder und tut es einfach. Aus dem unabdingbaren Alles-oder¬Nichts¬Gefühlskarussel heraus, das junge Menschen von damals mit denen von heute verbindet. Doch die eigentlich tragische Figur ist der Titelheld selbst. So korrekt wie kalt erteilt Onegin der Liebenden eine Absage, schlimmer noch: Mit einem gewonnenen Duell, dem sein Freund Lenski zum Opfer fällt, hinterlässt er in Tatjanas Heimat »verbrannte Erde«. Nach Jahren des Herumirrens in der Welt trifft er sie unversehens wieder, nunmehr als Gattin eines Fürsten, und erkennt, dass sie seine große Liebe ist und stets war.
Typisch für Puschkin ist, dass er recht ungnädig mit seinen Hauptfiguren umspringt, doch ironische Distanz war Tschaikowskys Sache nicht, der diesen Stoff zum Prototyp der »lyrischen Tragödie« machte. Sein Herz scheint mehr mit Tatjana als mit Onegin zu schlagen, und es war sicherlich kein Zufall, dass die Komposition dieser Oper mit seiner eigenen Heirat und ihren unglücklichen Folgen zusammenfiel – umso intensiver geriet ihm die Musiksprache zum erfolgreichsten seiner Musiktheaterwerke.
Lyrische Szenen in drei Akten op. 24 / Text von Konstantin S. Schilowsky nach Alexander S. Puschkin / In russischer Sprache mit deutschen Übertiteln