Märchenspiel in drei Bildern // Text von Adelheid Wette
Hänsel und Gretel haben es nicht leicht: Von der Mutter aus Zorn in den Wald geschickt, vor Angst und Hunger dort nahezu erfroren, von einer bösen Hexe gefangen, gemästet und – fast – gebacken, stehen sie am Schluss als jugendliche Helden da, umgeben vom Lebkuchenduft des Schlusschors der von ihnen befreiten Kinder. Humperdincks Meisterwerk verzaubert nun seit ziemlich genau 125 Jahren die Herzen kleiner wie großer Zuschauer, und für nicht wenige von ihnen dürfte es die »Einstiegsdroge« zur Welt der Oper gewesen sein. Wer könnte, wer wollte sich auch ernsthaft dem Melodienreigen entziehen, der mit ein paar Kinderliedern die Szenerie ganz leichtfüßig eröffnet, um sie im nächsten Augenblick in die romantische Düsternis einer Wolfsschlucht eintauchen zu lassen? Das streitlustige Familienleben zu Hause überträgt sich in seinem musikalischen Konversationsmodus mühelos ins Heute. Im nachtdunklen Wald schenken Sand und Taumännchen, Abendsegen und Traumerlebnisse die nötige Geborgenheit, um – auch beim Mitfiebern! – im Überlebenskampf gegen die Hexe Rosina Leckermaul zu bestehen. Ursprünglich als kindertauglicher szenischer Beitrag zu einer Geburtstagsfeier gedacht, fand Humperdinck solchen Gefallen an diesem Märchenspiel, dass er eine große romantische Oper daraus entwickelte. Aus der Taufe gehoben wurde Hänsel und Gretel übrigens von keinem Geringeren als Richard Strauss, der am 23. Dezember 1893 in Weimar die Uraufführung dirigierte.