Von Peter Eötvös
»Und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie einen Mann und ein Weib.« So entstand also das erste Paar der Menschheit. Doch, Moment! Heißt es nicht wenig später, ebenfalls in der Bibel, Eva sei von Gott aus einer Rippe des Adam erschaffen worden? Wer war dann aber die erste Frau, die Gott dem Adam gleich zum Ebenbilde Gottes schuf? Aus dieser biblischen Unstimmigkeit erwuchs der Mythos von Lilith, der ersten Frau Adams, die nicht »Gehilfin« und »Fleisch von seinem Fleische« sein wollte, sondern auf ihrer Ebenbürtigkeit bestand. Aufbegehrend gegen den Herrschaftsanspruch Adams, findet Lilith im gefallenen Engel Lucifer einen Verbündeten, der ebenfalls mit der Erschaffung der Welt und des Menschen hadert.
Lucifer nimmt die drei Urmenschen mit auf eine Reise durch die Jahrtausende menschlicher Geschichte bis in eine auch heute noch ferne Zukunft. Und sein Plan scheint aufzugehen: Angeekelt von dem Erlebten beschließt Adam, dass kein Mensch mehr entstehen dürfe. Zu diesem Zeitpunkt sind jedoch beide Frauen bereits schwanger.
Konträr angelegte Charaktere, eine Reise von prähistorischer Zeit bis hin zur Zukunft, vom Paradies bis zu allzu menschlichen Höllen – Peter Eötvös' farbige und ausdrucksstarke Musik bringt diese Geschichte in ihrer ganzen Vielfalt zum Leuchten. Bereits in seiner Oper Die Tragödie des Teufels beschäftigte sich der ungarische Komponist mit dem Themengeflecht der Genesis. Stand dort der Teufel Lucifer im Mittelpunkt des Geschehens, konzentriert Eötvös sich im 2013 uraufgeführten Paradise reloaded (Lilith) auf die schillernde Gestalt der ersten Frau, die, obwohl zur Dämonin gestempelt, letztendlich sogar den Teufel in die Schranken weist. Von welcher stammt die Menschheit wohl ab, von der opferbereiten Eva oder der selbstbestimmten Lilith? Oder leben Nachkommen beider Urmütter unter uns?